2. Sachsenkriege und Sachsenkaiser


Ab dem frühen 8. Jahrhundert wurden die Sachsen immer häufiger von den Franken bedrängt, die seit 718 zahlreiche Heerzüge gegen das sächsische Gebiet führten (Wulf, 1991; Becher, 1999). Christliche Missionierungsversuche bei den Sachsen blieben in dieser Zeit erfolglos. In den Sachsenkriegen Karls des Großen (772 bis 804) wurde Sachsen schließlich gewaltsam erobert, christianisiert und in das Frankenreich eingegliedert. Eingeleitet wurden die Sachsenkriege durch die Eroberung der Eresburg im Süden Engerns und die Zerstörung eines Hauptheiligtums der Sachsen, der heidnischen Weltsäule "Irminsul", im Jahre 772. Auf dem fränkischen Reichstag im Jahre 775 wurde als Ziel des Krieges die allgemeine Missionierung oder - bei Nichterfolg - die Ausrottung der Sachsen beschlossen (Diwald, 1987; Lampen, 1999). Vor allem der sächsische Widerstand unter Widukind ist in die Geschichte eingegangen. Auch in zeitgenössischen Quellen wurden die Sachsenkriege als besonders langwierig, grausam und für die Franken anstrengend dargestellt (Lampen, 1999). Symbol für die Grausamkeit des 33 Jahre dauernden Krieges ist das "Blutbad von Verden an der Aller" im Jahre 782, wo Karl der Große 4500 aufständische Sachsen, die sich der Taufe verweigerten, hinrichten ließ. Die genaue Zahl ist allerdings umstritten, die Existenz dieses sogenannten "Blutgerichtes" gilt aber als sicher (Seltmann, 1999). In dem von Karl dem Großen erlassenen Kriegsrecht der "Capitulatio de partibus Saxoniae" aus dem gleichen Jahr wurde die fränkische Herrschaft festgeschrieben und die Ausübung heidnischer Bräuche bei Todesstrafe verboten (Wulf, 1991). Auch die sächsischen Thingversammlungen wurden verboten, die Teilhabe der unteren Stände am politischen Leben damit beendet (Last, 1978). Die Sachsenkriege endeten mit der Eroberung Wigmodiens und Nordalbingiens (= Nordelbien) im Jahre 804. Unter sächsischer Beteiligung wurde nun das neue sächsische Stammesrecht "Lex Saxonum" aufgezeichnet. Dieses schrieb eine führende Stellung des zum Teil auf fränkischer Seite stehenden sächsischen Adels, der in das neu eingeführte Grafschaftssystem eingebunden wurde, fest (Lampen, 1999). Zwischen 841 und 843 erhoben sich die unteren Stände im sogenannten Stellinga-Aufstand gegen den Adel um die vorfränkischen Verhältnisse wiederherzustellen. Der Aufstand wurde jedoch blutig niedergeschlagen (Wulf, 1991).

Die sächsische Tradition fand durch die gewaltsame Eingliederung in das Frankenreich kein abruptes Ende (Capelle, 1999). Der gesamte sächsische Raum blieb auch nach dem Verlust der politischen Selbständigkeit "sächsischer Kulturraum" (Capelle, 1998). Noch im 12. Jahrhundert waren mancherorts heidnische Bräuche verbreitet (v. Padberg, 2000). Nach dem Zerfall des Frankenreiches unter den Erben Karls des Großen bildete sich im 9. Jahrhundert das Stammesherzogtum Sachsen heraus. Dieses war ein "geschichtliches Schwergewicht" (Diwald, 1987) und konnte im neu entstehenden Deutschen Reich eine führende Position einnehmen: Das aus Gandersheim im Süden des heutigen Niedersachsen stammende sächsische Adelsgeschlecht der Liudolfinger stellte mit Heinrich dem Ersten und den Ottonen ab 919 für über 100 Jahre die ersten deutschen Könige und Kaiser ("Sachsenkönige" und "Sachsenkaiser"). "Der Aufstieg und Erfolg der Sachsen von einem unterworfenen und zwangsmissionierten Volk hin zum führenden Reichsvolk innerhalb eines Jahrhunderts nach der Unterwerfung gehört zu den bemerkenswertesten historischen Entwicklungen des Mittelalters" (Lampen, 1999). Unter den Ottonen wanderte der politische Schwerpunkt Sachsens in das nördliche Harzvorland. Otto der Große gründete das Erzbistum Magdeburg und wurde auch im Magdeburger Dom beigesetzt. Er machte sich unter anderem durch seinen Sieg über die Ungarn in der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahre 955 einen Namen. Als seinen Vertreter in Sachsen setzte Otto der Große 966 den Markgrafen Hermann Billung ein, dieser war nun "Herzog von Sachsen". Fortan wurde die sächsische Herzogswürde vom König bzw. Kaiser verliehen, für die nächsten 140 Jahre an die Billunger.

Auf die sächsischen Liudolfinger folgten 1024 die fränkischen Salier auf dem deutschen Königsthron. Diese mußten jedoch mit einer permanenten Opposition sowohl durch den sächsischen Adel (vor allem der mächtigen Billunger und Northeimer) als auch durch das sächsische Volk rechnen (Scheuch, 1997; Kurowski, 1996). Die folgenden militärisch ausgetragenen Konflikte zwischen Sachsen und der königlich-salischen Zentralmacht werden zuweilen auch als "Sachsenkriege" bezeichnet - nicht zu verwechseln mit den "ersten" Sachsenkriegen Karls des Großen rund 250 Jahre zuvor. Als Gegner der Sachsen ist vor allem König Heinrich IV. zu nennen, der (in anderem Zusammenhang) durch den legendären "Gang nach Canossa" berühmt wurde. Nach dem Aussterben der Billunger in männlicher Linie im Jahr 1106 erhält der bislang unbedeutende Lothar von Süpplingenburg die sächsische Herzogswürde. Dieser konnte seine Macht jedoch soweit ausbauen, daß er zum Sieger in den Auseinandersetzungen zwischen Sachsen und fränkischen Saliern wurde. "Die königliche Gewalt der Salier war in Sachsen fortan ausgeschaltet" (Jordan, 1979). 1125 wurde Lothar von Süpplingenburg selbst zum deutschen König erhoben, 1133 auch zum Kaiser. Noch einmal, wie zur Zeit der liudolfingischen Ottonen, wurde Sachsen die wichtigste Kernlandschaft im Deutschen Reich (Jordan, 1979). Kurz vor seinem Tod belehnte Lothar seinen Schwiegersohn, den Welfen Heinrich den Stolzen, mit dem gesamten Herzogtum Sachsen, nachdem dieser von seiner billungischen Mutter umfangreiche Hausgüter in Sachsen geerbt hatte. Der nachfolgende König Konrad III. aus dem Geschlecht der schwäbischen Staufer wollte den Machtzuwachs des Welfen jedoch nicht dulden: Heinrich der Stolze wurde 1138 geächtet und verlor Sachsen. Dieses wurde dem brandenburgischen Markrafen Albrecht dem Bären aus dem Hause der Askanier übertragen. Die Sachsen verwehrten dem Askanier jedoch den Zugang zu ihrem Land, und Albrecht gab es 1142 an den Sohn Heinrich des Stolzen, Heinrich dem Löwen, heraus.

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