Archäologie: Sachsendorf
In Wittorf bei Rotenburg/Wümme wurden rund 15 Wohnhäuser und knapp 20 kleinere sogenannte Grubenhäuser nachgewiesen und Reste ausgegraben. Sie gehörten zu einem sächsischen Dorf, das Ende des 8. Jahrhunderts entstanden ist. Mit zwölf Hektar war das Dorf für die damalige Zeit außergewöhnlich groß, möglicherweise umfasste es insgesamt bis zu 100 Häuser und Hütten. Auffällig ist weiter, daß die Dörfer in der damaligen Zeit zumeist auf einem Hügelgelände angelegt wurden und nicht wie später üblich an Bächen und Flüssen. Die Wohnhäuser, in denen die Bewohner in Großfamilien gemeinsam mit dem Vieh unterkamen, weisen eine Länge von 10 bis 30 Metern und eine Breite von bis zu sieben Metern auf.
Für die Archäologie interessanter, weil bei Ausgrabungen mehr Material sichtbar gemacht werden kann, sind die für die Weberei verwendeten Grubenhäuser oder Grubenhütten, die eine Größe von etwa drei mal drei Metern haben und fast zur Hälfte in der Erde versenkt waren. Jeweils in der Mitte war eine rund zwei Meter lange Vertiefung für einen Webstuhl angelegt. Da im Erdboden eine wesentlich höhere Luftfeuchtigkeit herrscht, verhindert das Versenken der Grubenhäuser in den Boden ein Austrocknen der verwendeten Leinenfäden.
Bemerkenswert ist auch die Entdeckung eines Schutzgrabens: Etwa fünf Meter breit und drei Meter tief, vermutlich mit Palisaden abgestützt, war der Graben um die gesamte Siedlung gezogen. Die Schutzvorrichtung wurde zeitgleich mit der Gründung des Dorfes angelegt. Die Größe des Dorfes und der Schutzgraben weisen darauf hin, daß die Bewohner einen Angriff durch die Franken erwarteten. Und so stand dieses Sachsendorf in seiner ursprünglichen Form auch nicht sehr lange: Wahrscheinlich nur einige Jahre, dann wurde es gewaltsam zerstört. Gegen die militärisch gut ausgerüsteten Franken unter Karl dem Großen waren die Sachsen trotz Schutzgraben und heftigem Widerstand chancenlos. Die Häuser wurden von den fränkischen Eroberern niedergebrannt und die Bewohner vertrieben. Als genaues Angriffsjahr wird 792 angenommen. Wie datierbare Tonscherben belegen, bauten die Sachsen das Dorf kurz nach 800 an der gleichen Stelle wieder auf. Der Graben wurde zugeschüttet und das Dorf bestand noch einige Jahrzehnte weiter; dann wurde die Siedlung jedoch aufgegeben. Im 9. Jahrhundert sind an vielen Stellen in Niedersachsen neue Ansiedlungen gegründet und alte Dörfer verlegt worden.
Wesentliche Informationen zu diesem Abschnitt entstammen einem Artikel der Rotenburger Rundschau aus dem Jahr 2000.