10.05.2004:
Zur politischen und
kulturhistorischen Bedeutung der Altsachsen am Beginn des Mittelalters
Vortrag von Professor Dr. Horst
Wolfgang Böhme, Universität Marburg
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte
Damen und Herren Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages, werte
Gäste, meine Damen und Herren,
allein die Tatsache, dass in den ehrwürdigen Räumen
des Niedersächsischen Landtages eine Ausstellung zu den frühen Sachsen
präsentiert wird, zeigt die auch heute noch wirksame Bedeutung jenes
frühgeschichtlichen Volksstammes für dieses Bundesland, das nicht ohne
Grund stolz dessen Namen bis zur Gegenwart tradiert hat, erhellt aber
zugleich auch die Wertschätzung wissenschaftlicher Forschung zu den
Anfängen sächsischer Herrschaftsbildung seitens der politischen
Volksvertreter wie auch der Öffentlichkeit.
Wer waren diese Sachsen und was lässt sich über die
ersten 500 Jahre dieser Bevölkerungsgruppe aus heutiger Sicht sagen?
Diese Fragen beschäftigen die Gelehrten ebenso wie die interessierten
Laien seit mehr als einem Jahrhundert, wobei die größten Fortschritte
bei deren Lösung in den Dezennien nach 1945 erzielt wurden. Neben
Historikern waren es vor allem die im Lande tätigen Archäologen, die
unser Wissen über die frühen Sachsen des 3. - 8. Jhs. in ganz
entscheidendem Maße bereichern konnten. Durch planmäßige und
systematische Ausgrabungen des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover,
des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung in
Wilhelmshaven sowie der Bezirks- und Kreisarchäologien und Museen in
Aurich, Oldenburg, Bad Bederkesa, Rotenburg/Wümme, Lüneburg und
Hannover, um nur die wichtigsten zu nennen, wurden zahlreiche Siedlungen
und Friedhöfe des fraglichen Zeitraums aufgedeckt und wissenschaftlich
ausgewertet, nachdem sie zuvor mühevoll restauriert und gezeichnet
worden waren. Auf diese Weise gelang es den Archäologen des Landes,
mehrere bedeutende Fundkomplexe freizulegen und zu veröffentlichen, die
schon bald auch außerhalb der Grenzen Niedersachsens größte Beachtung
fanden und der internationalen Forschung - von England über die
Niederlande bis nach Dänemark und darüber hinaus - entscheidende Impulse
vermittelt haben. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die Namen einiger
ausgewählter Fundplätze wie Feddersen Wierde, Flögeln, Liebenau,
Issendorf, Fallward bei Wremen, Immenbeck und Rullstorf, die
mittlerweile jeder an Frühgeschichte Interessierte im In- und Ausland
kennt. Ohne in Superlative verfallen zu wollen - wie in unserem Metier
nicht unüblich -, kann ohne Übertreibung festgestellt werden, dass die
dort durchgeführten Forschungen zu einem grundlegenden Wandel unserer
Vorstellungen von den frühen Sachsen geführt haben und dass einige
Fundobjekte durchaus als sensationell bezeichnet werden dürfen.
Wer waren nun die Sachsen?
Römische Schriftsteller erwähnen sie als saxones
im Jahre 286, als sie gemeinsam mit Franken Plünderungszüge über See in
den Norden der Provinz Gallien unternommen hatten. Damit erscheint der
Name dieses neuen Volksstammes - ebenso wie jener der auch damals
erstmals erwähnten Alamannen und Franken - frühestens im ausgehenden 3.
Jh., als wirtschaftliche und soziale Veränderungen bei vielen
germanischen Bevölkerungsgruppen östlich des Rheins offenbar zu einem
markanten Wandel der Herrschaftsverhältnisse geführt haben, was sich in
der Herausbildung einer „adligen" Oberschicht und auch im Auftauchen
neuer Namen äußerte. Angeblich frühere Erwähnungen der Sachsen - etwa
durch Ptolemaios - haben sich als irrige Interpretationen alter Texte
erwiesen, sodass auch die Vermutung, Sachsen seien aus Gebieten nördlich
der Elbe eingewandert, als hinfällig gelten kann.
Vielmehr lebten die Vorfahren der seit dem späten 3.
Jh. als Sachsen bezeichneten Bevölkerung als Viehzüchter und Ackerbauern
an der niedersächsischen Nordseeküste und ihrem Hinterland schon seit
Jahrhunderten recht bodenständig in kleinen Hofgruppen oder Dörfern, wie
die Ausgrabungen in Feddersen Wierde und Flögeln erwiesen haben.
Der weitgehend friedliche, aber eher lockere Kontakt
dieser bäuerlich strukturierten Bevölkerung zum Römischen Reich änderte
sich nun im 3. Jh., als Sachsen durch ihre Piratenzüge die Küsten des
Imperiums bedrohten und unsicher machten, und dadurch überhaupt erst die
Aufmerksamkeit der Römer erregten. Für diese Großmacht gingen seitdem
alle plündernden Einfälle, die über See vorgetragen wurden, auf das
Konto der Sachsen, die somit zu einem Synonym für Piraten wurden, gegen
die man ernsthafte Verteidigungsanstrengungen unternehmen musste. Die
damals angelegte Kette von Militärkastellen entlang der Küsten Englands
und Nordfrankreichs zur Abwehr sächsischer Seeräuber erhielt daher auch
bezeichnenderweise den Namen Litus Saxonicum, „Sächsische Küste".
Betrachtet man das Verhältnis zwischen dem Römerreich
und seinen außerhalb lebenden Nachbarn in einem größeren historischen
Rahmen, so kann man wiederholt die Beobachtung machen, dass auf eine
Phase kriegerischer Überfälle schon bald eine solche diplomatischer
Kontakte folgt. So war es auch bei den Sachsen. Schon um 300, verstärkt
aber ab dem mittleren 4. Jh. vermochten die Römer auf Grund von
Verträgen sächsische Krieger in ihre Heeresorganisation einzubinden.
Seitdem dienten Sachsen regulär als auxilia (Hilfstruppen) in
römischen Militäreinheiten oder stellten Truppen für den Kampf
putschender Generäle gegen die Zentralregierung. Sogar von einem
sächsischen Kavallerieregiment, einer ala I Saxonum, hören wir,
die einst im fernen Syrien stationiert war. Offenbar waren Sachsen nicht
allein als Piraten gefürchtet, sondern auch als gewandte Reiter bei den
Römern geschätzt. Am häufigsten jedoch stellten sie zahlreiche
Kampftruppen in Gallien und Britannien, ein Betätigungsfeld, das für die
Sachsen später noch von großer Bedeutung werden sollte. Auf diese Weise
war es dem Imperium durch Verhandlungen und Verträge gelungen, aus
beutesuchenden Invasoren dringend benötigte und zudem gut bezahlte
Söldner für die eigene Armee zu machen.
Seit dem ausgehenden 4. Jh. waren diese
römisch-sächsischen Kontakte mittlerweile so intensiv geworden, dass sie
sich sogar im archäologischen Fundbild niedergeschlagen haben. Nach
jahrelangem Aufenthalt der sächsischen Söldner samt ihren Familien im
Römischen Reich waren diese mit römischer Kultur und Lebensweise bestens
vertraut und hatten dank ihres in Gold- und Silbermünzen ausbezahlten
Soldes einigen Reichtum angehäuft, den sie nach der Entlassung in ihre
rechtsrheinische Heimat mitnahmen. Es wird kaum ein Zufall sein, dass
einige der hochrangigen Söldnerführer unter jenen Heimkehrern nicht nur
als Zeichen ihrer militärischen Würde stolz das römische cingulum
militiae, den Militärgürtel, trugen, sondern sich oft auch als Erste
in ihrer germanischen Umwelt mit ihren statusanzeigenden Waffen
beisetzen ließen. Dieser Brauch hatte sich bei den germanischen Soldaten
im spätantiken Gallien während des 4. Jhs. herausgebildet und regte
offenbar zur Nachahmung an. Zu diesen prestigebewussten ehemaligen
römischen Berufssoldaten hohen Ranges, die Vorreiter der sich seitdem
langsam ausbreitenden Waffenbeigabensitte waren, gehörte auch der
einstige Söldnerführer aus Liebenau, der mit Schwert, Lanze und Schild
bestattet wurde, wie vor ihm keiner in dieser Region.
Der langjährige Militärdienst von Söldnern aus dem
Gebiet zwischen Ems und Niederelbe im spätrömischen Heer hat freilich
nicht allein dafür gesorgt, dass zahlreiche Militärgürtel aus Gallien
und Britannien nach Niedersachsen gelangten und dass bald einzelne
Waffengräber dort angelegt wurden, sondern hat auch vielfältige
Kenntnisse, Fertigkeiten und Ideen ins Land gebracht, die sich
nachhaltig auf den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereich
auswirken mussten.
Sogar auf dem Gebiet des sächsischen Kunsthandwerks
lassen sich spürbare neue Einflüsse feststellen, die offensichtlich
direkt oder indirekt mit dem Söldnerdienst in Verbindung stehen. Dies
betrifft zum einen die formale Gestaltung sowie technische Details von
Fibeln der Frauenkleidung, ganz besonders aber deren künstlerische
Verzierung mit spätantiken Ziermustern im Kerbschnittstil. Auf der Suche
nach eigenständigem Trachtenschmuck und unter Verwendung des ihnen zuvor
unbekannten Kerbschnittdekors experimentierten einheimische Künstler und
Metallhandwerker sehr erfolgreich einige Jahrzehnte lang, bis ihnen im
5. Jh. der große Durchbruch gelang: Entstanden waren die großen
Gleicharmigen Kerbschnittfibeln als typisch sächsischer Frauenschmuck
für den Verschluss eines repräsentativen Mantels. Oft war zu ihrer
Herstellung das Einschmelzen von 20 - 30 spätrömischen Silbermünzen
erforderlich, und für die technisch anspruchsvolle Feuervergoldung
bedurfte man zudem der Einfuhr von Quecksilber aus dem römischen
Spanien. Keine Frage, damals im mittleren 5. Jh. erlebte das sächsische
Kunsthandwerk eine Blüte ohnegleichen, der freilich schon bald ein
spürbarer Niedergang folgte.
Bereits während der Zeit, als verschiedene
germanische Söldnereinheiten in den römischen Provinzen Gallien und
Britannien ihren Dienst versahen, kam es dort gelegentlich schon zur
Ansiedlung größerer und kleinerer germanischer Bevölkerungsgruppen mit
Duldung und Billigung der römischen Verwaltung. So wie auf diese Weise
einzelne fränkische Volksangehörige seit der Mitte des 4. Jhs. im Norden
Galliens, zwischen Niederrhein und Seine etwa, ansässig wurden, so
gelang offenbar sächsischen Siedlergruppen im frühen 5. Jh. das gleiche
im Osten Englands: Zahlreiche Sachsen hatten sich also bereits im
Römischen Reich niedergelassen, als dieses noch Bestand hatte. Erst nach
dem Zusammenbruch der spätantiken Militärorganisation um 455, und das
heißt nach dem Ende der Römerherrschaft im Westen, kam es im Süden
Britanniens zu einem fast ungebremsten Eindringen ortsfremder Siedler,
unter denen sich neben Angeln und Jüten auch bemerkenswert viele Sachsen
aus dem niedersächsischen Küstengebiet befanden. Die sog.
angelsächsische Einwanderung nach England hatte begonnen.
Verständlich wird dieser Migrationsvorgang nicht
zuletzt durch die Tatsache, dass mit dem Ende der einträglichen
Söldnerdienste eine wesentliche Finanzquelle für die festländischen
Altsachsen verloren gegangen war, die man in irgendeiner Weise zu
kompensieren versuchte. Denn die Folgen des plötzlichen Abbruchs der
römisch-sächsischen Beziehungen, die für beide Seiten jahrzehntelang von
Vorteil gewesen waren, erwiesen sich als außerordentlich schwerwiegend.
Die Soldzahlungen in Gold und Silber hörten auf, Quecksilber war kaum
noch zu beschaffen und zahlreiche qualifizierte Handwerker scheinen mit
großen Teilen der Bevölkerung das Land in Richtung England verlassen zu
haben. Das einst blühende sächsische Kunsthandwerk sank wieder auf das
frühere einfache Niveau zurück, das mehrheitlich nur noch Bronze und
Eisen verarbeitete. Schon um 500 und zu Beginn des 6. Jhs. gab es keine
eigenständigen, typisch sächsischen Schmuckformen aus Edelmetall mehr.
Und wenn Silberfibeln dieser Zeit in Niedersachsen gefunden werden, dann
stammen sie aus dem Franken- oder Thüringerreich.
Während einst vom Festland eingewanderte Sachsen,
Angeln und Jüten unter Führung ihrer Eliten in Britannien eigene
Herrschaften errichteten, die sich schon bald zu mächtigen insularen
Königreichen entwickelten und die Geschicke Englands bis ins Mittelalter
hinein bestimmten, verblieben die bevölkerungsmäßig wie kulturell
geschwächten Altsachsen etwas abseits des großen politischen Geschehens
an der äußeren Peripherie des damals aufsteigenden und erstarkenden
fränkischen Merowingerreiches, das erfolgreich das Erbe des
spätrömischen Imperiums in Gallien angetreten hatte. Trotz anfänglicher
Erfolge, mit diesem neuen Großreich in guten Kontakt zu treten, müssen
die Sachsen noch in der ersten Hälfte des 6. Jhs. mit ihren Bemühungen
gescheitert sein und offenbar eine militärische Niederlage erlitten
haben.
Es besteht nämlich auf Grund der Berichte des
fränkischen Bischofs und Geschichtsschreibers Gregor von Tours zu den
kriegerischen Auseinandersetzungen der Jahre 555/56 zwischen Franken und
Sachsen kein Zweifel daran, dass damals die Sachsen von Chlothar I.
erneut tributpflichtig gemacht wurden. Diese Bemerkung setzt deren schon
seit längerem bestehende Abhängigkeit von den fränkischen Königen
voraus, wobei über deren Gründe leider keine Angaben gemacht werden.
Spätestens unter Theudebert I. (534-48) gehörten die Sachsen nämlich zu
den von den Merowingern beherrschten Völkern und mussten seit dieser
Zeit jährlich 500 Rinder auf der fränkischen Reichsversammlung
übergeben. Neben dieser zwar demütigenden, aber wirtschaftlich
unerheblichen politischen Tributzahlung waren die Sachsen nun in der
Folge verpflichtet, den fränkischen Herrschern Hilfstruppen sowohl für
auswärtige Kriege als auch für innerfränkische Fehden zu stellen. So
finden wir Sachsen zwischen 567 und 573 in Italien und Gallien im
militärischen Einsatz. Das letzte Mal standen sächsische Krieger 612 dem
König Theudebert II. hilfreich zur Seite, bevor ihnen wenige Jahre
später König Dagobert die Tribute gegen die Verpflichtung erließ, die
Ostgrenze des Reiches - dem sie offenbar immer noch angehörten - gegen
die Slawen zu verteidigen. In diesen 100 Jahren intensiver
fränkisch-sächsischer Kontakte kam es nicht nur zur Stellung von
Hilfstruppen für die Merowingerherrscher, wodurch zahlreiche Waffen,
Gürtel und Tongefäße fränkischer Herkunft nach Niedersachsen gelangten,
sondern auch zur gezielten Ansiedlung von Sachsen in Rahmen fränkischer
„Kolonialpolitik" am Oberrhein.
Als Sachsen bezeichneten die fränkischen
Schriftquellen des 6. - 8. Jhs. fortan alle Bewohner zwischen
Nordseeküste und Mittelgebirgszone, ungeachtet ihrer heterogenen
ethnischen Herkunft. Durch die Eroberung weiter Teile Westfalens um 700
wurden nun auch die fränkischen Boructuarier und ihre Nachbarn zu
Sachsen. Unter dem erweiterten Namen Sachsen wurden im Frühmittelalter
also nicht mehr allein Bedas „Altsachsen" der Völkerwanderungszeit an
der Nordseeküste, sondern nun auch binnenländische Elb- und
Rhein-Weser-Germanen zusammengefasst.
Erst durch die Kontakte mit den Franken seit dem
frühen 6. Jh. hatte sich im Laufe der Zeit der Geltungsbereich des
politischen Begriffs Sachsen von einer kleinen, küstennahen Zone im 5.
Jh. auf fast ganz Niedersachsen - und darüber hinaus - ausgedehnt, ohne
dass es dabei zu größeren Bevölkerungsverschiebungen oder Landnahmen
gekommen wäre. Sachsen als politische Einheit - und nicht als Ergebnis
sog. ethnischer Überschichtung und Eroberung - ist offensichtlich eine
Schöpfung Karls des Großen. Bezeichnenderweise taucht auch der Name „Saxonia"
erst im 9. Jh. auf, als das „Land Sachsen" einen Teil des
Karolingerreiches bildete.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende unserer
kleinen Zeitreise durch die ersten 500 Jahre altsächsischer Geschichte
angelangt, die zugleich auch niedersächsische Landes-geschichte ist. Es
handelt sich um eine Epoche, die nur spärlich durch Schriftquellen
erhellt wird und deshalb ohne die mühevolle Arbeit der Archäologen noch
nicht einmal ansatzweise zu beschreiben wäre. Doch selbst dank der
vielfältigen archäologischen Forschungsergebnisse, die man wie
Mosaiksteine zu einem farbigen und anschaulichen Bild zusammenzufügen
versucht, bleiben auch heute noch zahlreiche wichtige Fragen
unbeantwortet, zu deren Klärung man weiter auf neue, aufschlussreiche
Ausgrabungen hoffen muss.
Dennoch dürfte eines deutlich geworden sein: Die
Sachsen als ein weit außerhalb der römischen Hochkultur lebendes
Bauernvolk versuchten von Beginn an teilzuhaben an den Errungenschaften
und Reichtümern dieses machtvollen Imperiums. Sie wandelten sich von
gefürchteten Seeräubern zu begehrten und angesehenen Söldnern in
römischem Dienst, was schließlich dazu führte, dass große Teile von
ihnen in Britannien, also auf ehemals römischem Boden, zur Gründung
mächtiger Königreiche schreiten konnten. Die auf dem Kontinent
verbliebenen Altsachsen vollzogen dagegen ihre Ethnogenese, ihre
Stammesbildung, in der alten, angestammten Heimat, weit außerhalb des
neuen, aufstrebenden Frankenreiches. Wie schon zu römischer Zeit folgten
nun abermals Plünderungszüge in dieses neue Zentrum, die freilich
zunächst zu einer zeitweiligen Abhängigkeit und schließlich unter Karl
dem Großen sogar zur gewaltsamen Einbeziehung ins fränkische
Karolingerreich führten. Nur 100 Jahre später jedoch konnten sie bereits
mit den Liudolfingern, auch Ottonen genannt, eine kraftvolle deutsche
Königsdynastie stellen, die das immer peripher gelegene Sachsen
unversehens zu einer zentralen Herrschaftslandschaft machten: Sachsen
war in der Mitte Europas angekommen.
Zum Schluss bleibt mir nur zu danken allen jenen
Archäologen in Niedersachsen, die sich ihr Leben lang der Erforschung
der frühesten Landesgeschichte gewidmet haben. Ohne ihre oft
kleinteiligen, manchmal auch großartigen und sensationellen Ergebnisse
wären unsere Kennt-nisse über die frühen Sachsen nur unvollkommen und
schemenhaft. Die uns weiterführenden Ausgrabungen und Publikationen,
durchgeführt von den eingangs genannten Institutionen des Landes
Niedersachsen, wurden meist durch öffentliche Gelder finanziert und
haben durch ihre überregionale Resonanz auch zum Ansehen des Landes als
Kulturförderer wesentlich beigetragen.
Heute feiern wir nicht ohne Stolz ein großes
Jubiläum: „50 Jahre Sachsenforschung am Niedersächsischen Landesmuseum
zu Hannover", verbunden mit einer Ausstellung hier in der Wandelhalle
des Niedersächsischen Landtages. Gezeigt werden viele jener
archäologischen Funde, die in den letzten Jahren unser Bild von den
Altsachsen maßgeblich verändert haben. Eng verknüpft mit diesen
Aktivitäten sind die Bestrebungen des vor über 50 Jahren im
niedersächsischen Cuxhaven gegründeten „Internationalen
Sachsensymposions". Dabei handelt es sich um einen traditionsreichen
Archäologenkongress mit großer Reputation, der renommierte Forscher aus
neun Ländern jährlich zusammenkommen lässt, um die neuesten Ergebnisse
zur Archäologie der Sachsen und ihrer Nachbarvölker vorzustellen und zu
diskutieren. Die Kongressakten werden seit vielen Jahren sehr
erfolgreich von Herrn Dr. Hässler vom Niedersächsischen Landesmuseum
herausgegeben.
Das Land Niedersachsen, das sich bisher so
erfolgreich und mit viel Engagement der finanziellen und ideellen
Förderung archäologischer Untersuchungen verschrieben hat, sollte auch
in Zeiten knapper Kassen nicht nachlassen in seinen nachhaltigen und
segensreichen Bemühungen, damit es der archäologischen Forschung in
Niedersachsen nicht so ergeht wie dem altsächsischen Kunsthandwerk im
ausgehenden 5. Jh. Die Sachsenforschung in Niedersachsen und nicht
zuletzt in seiner Hauptstadt Hannover verdient auch in Zukunft jede
Unterstützung bei der Erhaltung ihres hohen, international anerkannten
Niveaus. Die hier versammelten Volksvertreter können bei diesem Bemühen
maßgeblich mitwirken.
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