Archäologie: Sachsenfriedhof


Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Kronsberg in Rullstorf bei Lüneburg konnte ein spätsächsisches Gräberfeld (etwa 650-800 n.Chr.) entdeckt werden. Es gehört zu den wenigen gut erforschten Brand- und Körpergräberfeldern an der Wende vom heidnisch-sächsischen Totenbrauchtum zur christlichen Religion in Niedersachsen. Mit einer Belegungsdauer von etwa 200 Jahren und etwas mehr als 150 Bestatteten repräsentiert es einen nur kurzen, aber sehr wechselvollen Zeitabschnitt der über 5000 Jahre andauernden Besiedlungsgeschichte dieses Ortes.

Das Gräberfeld erstreckt sich über eine Fläche von etwa 6000 m². Nach der Zahl der Bestatteten könnte es sich um die Bewohner eines reichen, bäuerlichen Anwesens, eines sogenannten Adelshofes, handeln. Für den Wohlstand sprechen nicht nur reiche Beigaben in den Männer- und Frauengräbern, sondern auch der hohe Anteil mitbestatteter Tiere - dabei auch ein aufgezäumter Hirsch - vor allem aber Pferdegräber. Trotz der kurzen Belegungsdauer zeigt das Gräberfeld ein großes Spektrum verschiedener Grab- und Beigabensitten, die aufschlußreiche Informationen zur Tracht und Ausstattung des 7. und 8. Jahrhunderts vermitteln. Ein Unikat ist die bei Rullstorf gefundene, 6,6 cm große Schwanenfibel aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts (siehe Abbildung). Das Motiv (Schwan mit Schlange im Schnabel) ist vermutlich der heidnisch-sächsischen Mythologie entlehnt.

Das Gräberfeld ist während eines Zeitabschnittes belegt worden, währenddessen im sächsischen Siedlungsraum große Veränderungen zu beobachten sind: Die Sachsenkriege Karls des Großen. Mit der Eingliederung Sachsens in das Frankenreich geht die mit Zwangsmaßnahmen durchgesetzte Christianisierung einher, die eine Abkehr von der bisherigenden religiösen Identität bedeutete. Die auf diesem Gräberfeld vorherrschende Sitte, die Toten zu verbrennen oder Körperbestattungen in Süd-Nord ausgerichteten Gräbern vorzunehmen, entspricht noch der heidnischen Tradition. Die ersten West-Ost-orientierten Körpergräber gehen dagegen vermutlich auf christliche Einflüsse zurück. Im 9. Jahrhundert endete die Belegung des Gräberfeldes. Welche Gründe dafür verantwortlich sind, bleibt noch unklar. Möglich wäre die vorgeschriebene Bestattung im Bereich einer der frühen Adelskirchen. Es ist aber auch mit dem Abbruch der Besiedlung, mit der Umsiedlung der Rullstorfer Sachsen in andere Gebiete zu rechnen. Die genaue Lage der zum Gräberfeld gehörenden Siedlung ist noch nicht bekannt. Nach Grabungsbefunden zur frühsächsischen Zeit (4.-5. Jahrhundert), wird die Siedlung kaum 200 m vom Gräberfeld entfernt vermutet.

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